Ohr
Michael Ronner
Michael Ronner Experte für Technik & Hörakustik

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Das menschliche Ohr ist ein Wunderwerk der Natur. Es ist immer aktiv, ermöglicht uns Gesprächen zu folgen oder Musik zu hören. Weniger bekannt ist, dass das Innenohr auch die Gleichgewichtsorgane enthält. Grob kann man im Ohr drei Teile unterscheiden, die verschieden aufgebaut sind – Aussenohr (Auris externa), Mittelohr (Auris media) und Innenohr (Auris interna).

Das menschliche Ohr ist ein Wunderwerk der Natur. Es ist immer aktiv, ermöglicht uns Gesprächen zu folgen oder Musik zu hören. Weniger bekannt ist, dass das Innenohr auch die Gleichgewichtsorgane enthält. So erhält unser Gehirn Informationen, ob wir gehen oder sitzen, uns drehen oder kopfüber in der Achterbahn hängen. Egal welchen dieser beiden Sinne man betrachtet, Krankheiten können hier äusserst unangenehme Folgen haben und das Leben stark beeinträchtigen. Umso erfreulicher, dass es effektive Hilfen gibt, wie etwa Hörgeräte.

 

Anatomie und Physiologie der Ohren

Grob kann man im Ohr drei Teile unterscheiden, die verschieden aufgebaut sind. Es ist ein weiter Weg von der Schallwelle bis zum elektrischen Signal im Gehirn. Daher braucht es diesen ausgeklügelten Aufbau, so kompliziert er auch auf den ersten Blick wirken mag. Alle Einzelteile liefern ihren wichtigen Beitrag, vom Auffangen des Schalls im Aussenohr über die Verstärkung im Mittelohr bis zur Umwandlung im Innenohr.

 

Mehr als nur eine kosmetische Angelegenheit

Viele haben Probleme mit dem sichtbarsten Teil des Aussenohrs, der Ohrmuschel. Zu gross, zu klein, zu spitz, zu abstehend usw. Ihre Funktion erfüllt sie unabhängig von ihrem Aussehen. In den vielen Windungen und Furchen des Ohrmuschelknorpels wird der Schall reflektiert und gebündelt. So gelangen die Schallwellen schliesslich in den äusseren Gehörgang, der am Trommelfell endet. Geschützt wird der empfindliche Gang durch feine Härchen und das Ohrenschmalz, das Fremdkörper abhält oder wieder nach aussen befördert.

 

Rekordhalter im Ohr

An der Grenze zwischen Aussenohr und Mittelohr liegt das Trommelfell, eine dünne und empfindliche Haut. Durch den Druck der Schallwellen beginnt es leicht zu schwingen. Diese Schwingungen überträgt das Trommelfell anschliessend auf den ersten von den drei folgenden Knöchelchen. Genannt werden sie Hammer, Amboss und Steigbügel, in Anlehnung an ihr Aussehen. Knöchelchen ist der richtige Ausdruck, denn sie sind mit einer Länge von wenigen Millimetern die kleinsten des ganzen Körpers. Trotzdem erfüllen sie ihre Aufgabe sehr gut, nämlich die Verstärkung und Weiterleitung der Schallwellen. Die Gehörknöchelchen bilden so eine Art Brücke vom Trommelfell zum ovalen Fenster, der Grenze zum Innenohr. Wenigen ist bewusst, dass das Ohr auch mit dem Nasenrachenraum verbunden ist. Dieser Verbindungsgang, der ebenfalls vom Mittelohr abzweigt, hört auf den klingenden Namen Ohrtrompete. Sie ist verantwortlich für den Druckausgleich zwischen den Hohlräumen im Ohr und im Rachen, etwa wenn wir gähnen oder schlucken. Ein allseits bekanntes Beispiel für mangelhaften Druckausgleich ist das unangenehme Gefühl im Ohr, das entsteht, wenn wir, wie im Flugzeug, in kurzer Zeit grosse Höhenunterschiede überwinden.

 

Hörschnecke und das Gleichgewichtsorgan

Im entscheidenden Teil von unserem Ohr, dem Innenohr, sind gleich zwei Sinnesorgane vorhanden, nämlich der Gehörsinn und der Gleichgewichtssinn. Demnach unterscheidet man zwei Teile, die Hörschnecke und das Gleichgewichtsorgan, die beide in einem komplexen knöchernen Labyrinth liegen. So ist das Innenohr optimal gegen äussere Einflüsse geschützt. Ein wesentliches Detail ist, dass das Innenohr mit Flüssigkeit, der sogenannten Endolymphe, gefüllt ist. Dagegen befindet sich in Aussen- und Mittelohr Luft.

Das menschliche OhrZuerst zum Gleichgewichtsorgan: Dieses besteht wiederum aus zwei verschiedenen Teilen, verantwortlich für Dreh- und Beschleunigungssinn. Damit unser Gehirn weiss, ob und mit welcher Geschwindigkeit er sich bewegt, gibt es zwei kleine Säckchen zwischen der Hörschnecke und den Bogengängen. Diese Säckchen stehen senkrecht aufeinander und enthalten jeweils feine Haarzellen, die von einer dünnen Schicht bedeckt sind. Oben auf dieser Schicht liegen zusätzlich noch zarte Kristalle. Wenn wir den Kopf nun vor oder zurück bewegen, schwappt diese Schicht mit und knickt so die Haarzellen leicht ab. Dies ermöglicht die Wahrnehmung von horizontalen (z.B. im Auto bremsen) und vertikalen (z.B. in die Höhe springen) Beschleunigungen. Der Beschleunigungssinn ist jedoch nur eine Komponente des Gleichgewichtorgans. Die andere ist der Drehsinn, durch den das Hirn Informationen über die Lage des Kopfes erhält. Dem dreidimensionalen Raum entsprechend, gibt es im Ohr dafür drei Bogengänge, die jeweils im rechten Winkel aufeinander stehen. Passend zur Hörschnecke als Schneckenhaus ähneln die Bogengänge in ihrem Aussehen den Fühlern einer Schnecke. Jeder Bogengang hat an einem Ende eine kleine Erweiterung, in der wiederum Haarzellen liegen. Hier sind allerdings keine Kristalle vorhanden, weil sich im Bogengang ohnehin ausreichend Endolymphe befindet, um die Haarzellen knicken zu können. Die Trägheit dieser Flüssigkeit und der kristallbedeckten Schicht verursacht übrigens auch den Schwindel. Drehen wir uns nämlich längere Zeit im Kreis und stoppen dann abrupt, schwappt die Endolymphe noch etwas hinterher und reizt damit die Haarzellen. Unsere Augen vermitteln uns dagegen, dass wir uns nicht mehr bewegen und auf diese widersprüchlichen Informationen reagiert unser Gehirn mit Schwindel.

Nun aber zum Herzstück von unserem Ohr – der Hörschnecke. Ihren Eingang hat sie am ovalen Fenster, wo die Brücke der Gehörknöchelchen endet. Hier tritt der Schall aus dem luftgefüllten Mittelohr über in die mit Perilymphe gefüllte Vorhoftreppe, der erste Teil der Schnecke. Die Perilymphe ist leicht anders zusammengesetzt als die Endolymphe. An der Spitze schliesslich mündet die Vorhoftreppe in die Paukentreppe. In der Paukentreppe wandern die Schallwellen wieder zurück in Richtung Mittelohr, mit dem sie über das runde Fenster verbunden ist. Dies dient vor allem dem Druckausgleich, denn einen anderen Ausgang besitzt die Schnecke nicht. Zwischen diesen beiden Treppen liegt ein kleiner Hohlraum, der eigentliche Schneckengang, der mit Endolymphe gefüllt ist. Wenn der Schall sich in der Vorhoftreppe vorwärtsbewegt, wird dieser Druck auch auf den Schneckengang übertragen. Damit bewegen die Wellen eine Art Deckel, der wiederum einige Haarzellen knickt. Nervenzellen registrieren dieses Abknicken und Leiten die Informationen über den Hörnerv ans Gehirn weiter. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass unterschiedliche Frequenzen an unterschiedlichen Stellen im Schneckengang wahrgenommen werden. Hohe Töne bis etwa 20 kHz (das entspricht 20 000 Schwingungen pro Sekunde) hören wir eher am Beginn der Schnecke, tiefe Töne bis 20 Hz eher an deren Spitze. Im Laufe des Lebens nutzen sich die Haarzellen in der Nähe des Eingangs zum Schneckengang stärker ab als die, die weiter innen liegen. Deswegen hören wir im Alter sehr hohe Töne schlechter oder gar nicht mehr (Altersschwerhörigkeit).

 

Problem im Ohr

Generell gilt, dass man schnellstmöglich einen Hörtest machen sollte, sobald man Schwierigkeiten mit dem Hören hat. Dabei werden einem Töne in verschiedenen Höhen und Lautstärken (Einheit Dezibel) vorgespielt und man meldet, welche man hört. Das Ergebnis ist eine Kurve, an Hand derer man verschiedene Hörstörungen unterscheiden kann. Beispielsweise gibt es Schallleitungsstörungen, bei denen die Weiterleitung der Schallwellen abgeschwächt ist. Man hört somit zwar alle Frequenzen, aber nur mehr ab einer höheren Lautstärke. Eine andere Störung betrifft die Empfindung des Schalls, dabei spielt die Lautstärke keine Rolle. Hier ist allerdings die Wahrnehmung von bestimmten Frequenzen beeinträchtigt. Diese beiden Formen können auch kombiniert vorkommen. Ein Hörtest ist damit ein erster Schritt in der Diagnose und wegweisend für die weitere Behandlung. Das Ohr ist das Fachgebiet von HNO-Ärzten, Hörakustikern und vielen anderen Berufsgruppen, die zusammenarbeiten, um die Hörfunktion zu verbessern. Meistens können Hörgeräte den Betroffenen Abhilfe verschaffen und die Lebensqualität wieder entscheidend erhöhen.